Wachstumsorientierte Logistik für Stahlrohre und -profile

12.01.2021

Das schweizerische Tobel-Tägerschen ist um eine Landmarke reicher. Dort fügt sich ein neues Hochregallager harmonisch in die Landschaft, das getrennte Sektionen für die Bevorratung von Automotive-Komponenten sowie Zubehör umfasst. Es ist Teil einer Strategie des Stahlrohr-Dienstleisters Kindlimann, die Betriebsaktivitäten an einem neuen Standort zu zentralisieren. In diesen sind in einem ersten Schritt Gesamtinvestitionen in Höhe von CHF 50 Millionen geflossen. Im Bereich der Intralogistik setzten die Projektverantwortlichen auf die Erfahrung und Expertise der Stöcklin Logistik AG.

Im Verlauf ihrer 75 Jahre währenden Geschichte hat sich die Kindlimann AG als ein führender Schweizer Stahl-Dienstleister etabliert und gilt auch international als feste Größe. Das zum Van Leeuwen Konzern gehörende Unternehmen produziert und vertreibt ein Vollsortiment an C-Stahl- und Edelstahlrohren, Profilen und Zubehör sowie Blank- und rostfreiem Stabstahl. Die Abnehmer profitieren zudem von einem über den eigenen Fuhrpark abgewickelten 24-Stunden-Lieferservice. Parallel erbringt Kindlimann Zusatzleistungen im Bereich des technischen Supports und setzt maßgeschneiderte Beschaffungsprojekte auf globaler Ebene um. Produktionsseitig sind es mehr als 30.000 Tonnen Stahl, die knapp 200 Mitarbeitende jährlich verarbeiten. Darüber hinaus werden im gleichen Zeitraum Komponenten für die Automobil-Zulieferindustrie in einer Größenordnung von rund 30 Millionen Stück gefertigt.

Strategische Investition in die Zukunft

Auch das Angebot, Teile direkt in die Produktion bzw. an das Band zu liefern, überzeugt. Die Kunden können zwischen Just-in-Time- (JIT) und Kanban-Konzepten wählen oder bei Bedarf Expresslieferungen ordern. Dies hat den entscheidenden Vorteil, eigene Materialbestände reduzieren zu können, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Mit diesem breit gefächerten Produkt- und Serviceangebot bedient Kindlimann exakt die Anforderungen einer immer anspruchsvolleren Klientel rund um den Globus. Honoriert wurde dieses feine Gespür für die aktuellen Erfordernisse 2019 mit einem Umsatz von CHF 90,5 Millionen. Aber auch Weitsicht zeichnet Kindlimann aus. Um zukünftig noch effizienter und schlagkräftiger handeln zu können, wurde die Entscheidung getroffen, die bestehenden Standorte Wil und Schwarzenbach in Tobel-Tägerschen, Kanton Thurgau, zusammenzuführen.

Zu diesem Zweck sollten dort auf einer Gesamtfläche von 44.000 Quadratmetern – das entspricht einer Größe von etwa sieben Fußballfeldern – vier Industriehallen und ein Verwaltungsgebäude errichtet werden. Der symbolische Spatenstich wurde Anfang Dezember 2018 gesetzt. Anlässlich dieser Zeremonie würdigte Roger Gähler, Co-Geschäftsführer von Kindlimann, den Neubau als einen wichtigen Meilenstein:

„Damit sichern wir unseren Werkplatz Schweiz, speziell für die Fertigung von anspruchsvollen Automobilkomponenten, welche wir auf hochmodernen Anlagen für unsere weltweiten Kunden fertigen.“

Flexible Integration und Schnittstellenanbindung

Ende Februar 2019 wurde die im schweizerischen Laufen ansässige Stöcklin Logistik AG mit der Umsetzung des Intralogistikkonzepts beauftragt. Im Fokus standen ein 1-gassiges automatisches Hochregallager (HRL) für Zubehörteile sowie ein weiteres für Automotive-Komponenten.

„Im Zuge von Umplanungen haben wir sowohl das Zubehör- als auch das Automotive-Lager platzsparend in einer Halle zusammenfassen können“,

berichtet Tommy Dückmann, Projektleiter der Stöcklin Logistik AG

„Diese beiden Bereiche werden jedoch unabhängig voneinander betrieben.“

Auch auf IT-Ebene war die Marschrichtung klar. Dem Wunsch von Kindlimann folgend sollten beide Lager durch das Stöcklin WCS (Warehouse Control System) gesteuert werden. Außerhalb derer übernimmt SAP EWM (Extended Warehouse Management System) die Prozesse und verwaltet die Bestände und Aufträge. Dem Stöcklin WCS obliegt wiederum die Ausführung der übermittelten Transportaufträge sowie die Lagerplatzverwaltung.

Umzugsphase ohne Leistungseinbuße

Etwa zwei Monate vor dem Go-Live der beiden Automatiklager im August 2020 startete der Umzug an den neuen Standort in Tobel-Tägerschen. Dabei war nicht nur ein Materialbestand von 11.000 Tonnen (Rohre, Profile, Rohrzubehör und Vollmaterial) umzusiedeln, sondern auch der mehr als 60 Anlagen umfassende Maschinenpark. Trotz dieses Kraftakts ist es Kindlimann gelungen, den Lieferservice wie gewohnt aufrechtzuerhalten. Seit Inbetriebnahme wird das Intralogistiksystem regulär an sechs Tagen zu je 16 Stunden betrieben. Das Automotive-Lager ist für die Aufnahme von 2.028 Paletten ausgelegt, während das Zubehör-Lager eine Kapazität von 1.950 Stellplätzen aufweist.

In beiden Sektoren verfährt jeweils ein automatisches, mit einer Teleskopgabel ausgestattetes Regalbediengerät (RBG) Typ MASTer 24. Im Automotive-Sektor kommen Euro Typ 1-Paletten mit Spezialanbau zum Einsatz. Auf diesen Ladungsträgern werden in erster Linie lose Gebinde geführt. Das dort installierte Regalbediengerät leistet 60 Einlagerungen respektive 60 Auslagerungen pro Stunde. Im Zubehör-Lager sind ausschließlich reguläre Euro Typ 1-Paletten im Umlauf. Die Spielzeit des hier verfahrenen Geräts beläuft sich auf bedarfsgerechte 32 Doppelspiele je Stunde.

Unabhängiger Betrieb, gleicher Prozess

Im Automotive-Bereich ist bei der Einlagerung für jeden Ladungsträger eine Trägerpalette vorgesehen. Diese werden in Stapeln mit bis zu zwölf Paletten im Lager gehalten sowie durch einen sogenannten Dispenser vereinzelt und abgegeben oder darin aufgenommen. Die Zuführung Richtung Hochregallager erfolgt über einen Verschiebewagen. Analog werden in einem weiteren Dispenser Paletten für das Zubehör-Lager vorgehalten und gehandhabt. Über die Regalbediengeräte und die „Paletten-Spender“ hinaus umfasste der Lieferumfang von Stöcklin auch die gesamte bereichsgetrennte Paletten-Fördertechnik in der Vorzone inklusive Brandschutz- und Schnelllauftore.

An allen Aufgabe- und Abnahmestellen sowie am Kommissionier-Arbeitsplatz erfolgt die Erfassung der Paletten und Kleinteile-Gebinde per Handheld-Scanner im SAP ERP-/EWM-System. Das Stöcklin WCS ist via Schnittstelle an den Host angebunden. Es verwaltet die Gebinde und die Lagerplätze, bearbeitet die Ein- und Auslagertransportaufträge und dirigiert quasi den Materialfluss samt der darunter liegenden Steuerungstechnik, die die Geber überwacht und die Motoren reguliert. In diesem Kontext werden auch Daten wie Länge, Breite und Höhe sowie etwaige Profilfehler und das Gewicht der Gebinde von der SPS erfasst und dem WCS gemeldet. Gleichzeitig ist das System in der Lage, unter anderem Fahraufträge durch Reihenfolgenbildung zu optimieren. Der Abschluss eines Transportauftrages geschieht in Echtzeit per Quittierung an das ERP-System. Das WCS, ein separat einsetzbarer Bestandteil der Stöcklin Software Suite, verfügt zudem über eine integrierte Visualisierung. Über diese haben die Mitarbeitenden stets die Betriebszustände der Regalbediengeräte und der Paletten-Förderstrecken im Blick.

Frisch gerüstet für neue Herausforderungen

„Wir stellen die Effizienz unser betriebsinternen Prozesse kontinuierlich auf den Prüfstand, um die Durchlaufzeiten vom Bestelleingang bis zum Versand bei bestmöglichem Mitteleinsatz stetig zu minimieren“,

betont Roger Gähler.

Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, auch auf automatisierte Lagertechnologien zu setzen. Mit der Stöcklin Logistik AG stand uns bei diesem Projekt ein erfahrener Partner zur Seite, der das neue Logistikkonzept nicht nur wunschgemäß umgesetzt, sondern durch die Zusammenfassung der beiden Automatikläger in nur einer Halle auch punktuell bzw. sinnvoll weiterentwickelt hat.“

So verbleibe zusätzlicher Raum für die weitere Expansion.

Mit dem 20,5 Meter hohen Neubau in Tobel-Tägerschen hat Kindlimann gleichzeitig die Lagerkapazität auf 15.000 Tonnen steigern können.

„Eine hohe Verfügbarkeit in Verbindung mit einer weiter verbesserten Lieferqualität sind wichtige Voraussetzungen, um auf volatilen Märkten auch zukünftig bestehen zu können und Marktanteile hinzuzugewinnen“,

merkt Roger Gähler, der Co-Geschäftsführer von Kindlimann, weiter an.

„Dieses Fundament haben wir nun im Kanton Thurgau geschaffen.“

Natürlich gab es aufgrund der Corona-Pandemie auch kleinere Probleme.

„Einige Monteure aus dem Ausland konnten nicht anreisen“,

weiß Stöcklin-Projektleiter Tommy Dückmann.

„Doch diese Lücke haben wir mit eigenen Leuten ohne Zeitverlust füllen können.“

Flexibilität war auch angesichts der verzögerten Zustellung der zugekauften Schnelllauftore gefragt.